Beckenschmerzen richtig zuordnen

Veröffentlicht am:
01. Juni 2024
Von
Franziska Fries
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Anatomie des Iliosakralgelenks

Häufige Probleme und Symptome

Ursachen

Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten

Übungen

Bis zu 25% der Schmerzen im unteren Rücken können vom Iliosakralgelenk, kurz ISG, kommen. Dabei gibt es die absurdesten Mythen, die über eines der größten Gelenke unseres Körpers im Umlauf sind.

Vielleicht hast auch du schonmal etwas von einer Instabilität oder Blockade des Iliosakralgelenks gehört. Diese Erklärungsmodelle, die häufig von Ärzten oder Therapeuten genutzt werden, führen bei vielen Betroffenen zu Verunsicherung.

Das „Einrenken“ oder die Stabilisation mit einem Beckengurt scheint dann die einzige Option zu sein. Um das Ganze dann nicht weiter zu destabilisieren, bewegen sich die meisten nur noch sehr vorsichtig und entwickeln eine Angst vor Bewegung.

Dieser extreme Stress, der mit wenigen Worten vom Fachpersonal ausgelöst werden kann, ist dabei gar nicht nötig. Viele Studien beweisen: Unser ISG ist ganz schön stabil!

Es befindet sich an der Verbindungsstelle zwischen Kreuzbein und Darmbein im Becken.

Seine Hauptaufgabe besteht darin, das Gewicht des Oberkörpers auf die Beine zu übertragen. Anders gesagt, es herrschen enorme Kräfte am Gelenk.

Eine Funktionsstörung des Iliosakralgelenks kann daher zu Schmerzen und Beschwerden im unteren Rücken, im Gesäß und in den Beinen führen. 

Das Verständnis der Anatomie und Funktion des Iliosakralgelenks ist für die wirksame Diagnose und Behandlung damit verbundener Probleme von entscheidender Bedeutung.

Anatomie des Iliosakralgelenks

Starten wir also erst mal mit den Grundlagen. Wo ist das Iliosakralgelenk überhaupt?

Das ISG liegt im Bereich des Beckens. Es verbindet das Darmbein mit dem Kreuzbein.

Anatomie des Iliosakralgelenks

Nimm dir eine Minute Zeit und versuch es mal bei dir zu finden:

Das Darmbein kannst du spüren, wenn du deine Hände in deine Taille legst. Oben an der Taille spürst du deine untersten Rippen und wenn du immer weiter nach unten tastest, kommt ein deutlicher harter Knochen – dein Darmbein, der größte Teil deines Beckens. 

Du kannst den Knochen bis zu deinem Rücken verfolgen. Dort trifft er irgendwann auf dein Kreuzbein. Der Knochen, in den die Wirbelsäule mündet. 

Die Verbindung zwischen Darmbein und Kreuzbein, also dein ISG, besitzt eine große Gelenkfläche. An einer bestimmten Stelle kannst du sie sogar spüren. Eine kleine Erhebung kurz vor Beginn deines Gesäßes ist oft gut tastbar. Bei manchen Leuten sieht man an dieser Stelle kleine Grübchen. 

Da wir auf beiden Seiten ein Darmbein haben, gibt es demnach auch 2 Iliosakralgelenke. Auf jeder Seite eins.

Jetzt, wo du weißt, wo es sich befindet, erkläre ich dir, wofür es gut ist. Es dient uns als Verbindungsstelle zwischen Wirbelsäule, Becken und unseren Beinen. 

Seine Aufgabe besteht darin, Kräfte zwischen diesen Körperteilen zu übertragen. Daher ist es dauerhaft großer Belastung ausgesetzt. Und genau dafür ist es gemacht. Durch seine Lage im Becken und die kräftigen Bänder, die es umgeben, ist es ganz schön stabil. 

So stabil, dass kaum Bewegung im Gelenk möglich ist. 2,5°, um genau zu sein. Zum Vergleich: Unsere Hüfte können wir um 140° bewegen.

Daher gibt es auch keine Muskeln, die das Gelenk bewegen können. Es ist jedoch trotzdem von Muskulatur umgeben, die dem Gelenk aber weitere Stabilität verleiht. Dazu gehören unsere Rücken-, Gesäß-, Bein- und Bauchmuskulatur sowie unser Beckenboden.

Wenn das Zusammenspiel dieser einzelnen Teile im System nicht mehr richtig funktioniert, kann es zu Schmerzen im ISG kommen.

Häufige Probleme und Symptome

Folgende Symptome können von einer Problematik des Iliosakralgelenks kommen:

  • Schmerzen am hinteren Becken (vor allem an dem Knochenpunkt, den du eben ertastet hast)
  • Schmerzen werden als tief liegend angegeben
  • Schmerzen können über das Gesäß ins Bein ausstrahlen

Die Symptome verstärken sich bei bestimmten Bewegungen. Das passiert vor allem, wenn wir das Bein weit anwinkeln oder ausstrecken oder den Oberkörper weit drehen. Der Schmerz nimmt also oft beim Sitzen, Treppensteigen und Liegen auf der betroffenen Seite zu.

Die ausstrahlenden Schmerzen werden durch den Ischiasnerv verursacht. Der Nerv verläuft durch das Becken hindurch. Wenn es dort zu Spannungsveränderungen kommt, führt das oft zu einer Irritation des Nerven. Viele Betroffene klagen dann über Schmerzen am äußeren Knie oder am Fuß der betroffenen Seite.

Ursachen von Iliosakralgelenkproblemen

Aber was löst den Schmerz spezifisch aus?

Und hier darf ich dich nochmal an den Anfang des Beitrags erinnern. Die Schmerzen werden nicht von einer Blockade oder einer Instabilität des Gelenks ausgelöst. Die Ursache ist oft eine Sensibilisierung des Gelenks und keine Fehlfunktion.

Risikofaktoren, die zu so einer Sensibilisierung führen können, sind:

  • Stress
  • Inaktivität 
  • Schlafmangel
  • Erhöhte Muskelanspannung
  • Entzündungsprozesse

Diese Faktoren beeinflussen unsere Schmerzwahrnehmung enorm. Das heißt, mit gutem Schlaf, einem positiven Umgang mit Schmerz und Bewegung kannst du die Schmerzen oft schon positiv beeinflussen.

Eine wirkliche Funktionsstörung tritt nur nach einem auslösenden Ereignis auf.

Dazu zählen:

  • Sturz auf das Gesäß
  • Autounfall mit Aufprall
  • Bei Leistungssportlern in Sportarten, die große Scherkräfte am Becken erzeugen, wie Fußball oder Golfen
  • Nach einer Schwangerschaft
  • Bei Beinlängendifferenz

All diese Faktoren können zu einer Veränderung in der Gelenkkapsel, den umliegenden Bändern, Gewebeverletzungen und -entzündungen oder veränderten Druckverhältnissen im Gelenk führen. Durch diese und weitere Faktoren können dann Schmerzen auftreten.

Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten

Das ISG als auslösenden Faktor zu identifizieren, ist dabei gar nicht so leicht.

Es gibt viele andere Erkrankungen, die ähnliche Probleme bereiten, wie zum Beispiel ein Bandscheibenvorfall oder eine Lumboischialgie.

Bewegungen und Fehlstellungen des Gelenks können nicht ertastet werden. Das Bewegungsausmaß ist so gering, dass jeder, der behauptet, hier Bewegung spüren zu können, sich schlicht überschätzt. 

Es gibt Studien, bei denen ein Patient von verschiedenen Therapeuten und Ärzten auf die Beweglichkeit im ISG untersucht wurde. Die Ergebnisse wichen trotz unveränderter Gegebenheiten stark voneinander ab. Denn die Bewegungen sind nicht messbar, was das Ergebnis der Untersuchung vom Untersucher abhängig macht.

Es gibt jedoch einige Tests, die auf eine Beteiligung des ISGs bei der Problematik hinweisen können. Bei der Untersuchung wird jedoch kein Röntgen oder MRT benötigt.

Also was tun bei ISG Schmerzen?

Wichtig ist es zu Beginn, mögliche Risikofaktoren für eine Sensibilisierung und verstärkte Schmerzwahrnehmung zu erkennen und zu reduzieren. Ein gutes Stressmanagement, guter Schlaf und regelmäßige Bewegung helfen nachhaltig gegen Schmerzen.

Doch vor allem der Aspekt Schlaf wird bei vielen meiner Patienten zum Problem. In einer Studie gaben 40% der befragten Patienten mit ISG-Problemen an, unter Schlafstörungen zu leiden. 

Das Liegen auf der Seite kann den Schmerz noch verstärken. Ein Versuch kann es daher sein, eher auf dem Rücken oder dem Bauch zu schlafen. Falls du aber wie ich Seitenschläfer bist und es einfach nicht schaffst, dich umzugewöhnen, kann ein Kissen zwischen den Beinen dabei helfen, die Wirbelsäule und das ISG in einer neutralen Position zu halten.

Eine Behandlung in Form einer Manipulation des ISG, was du wahrscheinlich unter Einrenken kennst, hat keinen Effekt auf das Gelenk. Sie lindert wahrscheinlich für kurze Zeit deine Schmerzen. Das liegt aber nicht daran, dass dein Gelenk „wieder richtig positioniert" wurde, sondern daran, dass es einen entspannenden Effekt auf Muskeln und Bänder hat. Diese haben, wie du oben gelesen hast, einen viel größeren Einfluss auf die Schmerzwahrnehmung in dem Bereich.

Doch Physiotherapie besteht ja zum Glück nicht nur aus Einrenken und Massieren.

Aktive Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit und Muskelkraft im und um den Bereich des Beckens helfen langfristig bei Schmerzen im Iliosakralgelenk.

Durch Dehnübungen kannst du die Muskelspannung reduzieren und dabei helfen, dass sich das Gelenk wieder problemlos bewegen kann. Über Bewegungen der Beine wird die Bewegung vom Hüftgelenk auf das ISG übertragen. In den verschiedenen Positionen wird eine Bewegung des Gelenks in eine bestimmte Richtung provoziert.

Bevor wir aber mit den Übungen beginnen, möchte ich dir noch eine Sache mit auf den Weg geben.

Es ist wichtig zu wissen, dass der Schmerz im ersten Moment zunehmen wird. Das ist ganz normal. Die Strukturen sind gereizt und reagieren auf die ungewohnte Bewegung mit einer Verstärkung des Schmerzes. Dieser Schmerz bedeutet jedoch nicht, dass gerade etwas kaputt geht oder du etwas falsch machst. Dein Körper muss sich erst daran gewöhnen. Mach ruhig weiter und beobachte, wie er mit jeder Wiederholung besser wird.

Versuche es mal mit folgenden Iliosakralgelenk Übungen:

Bewegung ins Gelenk bringen, ISG Übung
Übung 1

Dehnung der Gesäßmuskulatur, ISG Übung
Übung 2

Triggerpunktbehandlung,ISG Übung
Übung 3

Hüftbeuger dehnen, ISG Übung
Übung 4

ISG öffnen, ISG Übung
Übung 5

ISG mobilisieren, ISG Übung
Übung 6

Zusammenfassend kann man also sagen, dass die Schmerzen im ISG zwar weit verbreitet sind, jedoch viel mehr mit einer Sensibilisierung der Strukturen als mit einem Problem der Gelenkmechanik zu tun haben.

Verwirf also alles, was du jemals über dein instabiles oder blockiertes Iliosakralgelenk zu hören bekommen hast. Konzentriere dich auf das, wo deine Schmerzen wirklich herkommen. Nur so kannst du nachhaltig deine Schmerzen lindern und dich wieder freier bewegen. 

Verlass dich auf dein stabiles Becken. Es wurde dafür gemacht, größte Belastungen auszuhalten und dir ein aktives Leben zu ermöglichen. Widme ihm ein bisschen mehr Aufmerksamkeit in Form von ausgewogener Bewegung. Teste mein Übungsprogramm und dir wird es bald besser gehen.

Profilbild Online Physio Autorin Franziska
Franziska
Es begeistert mich, anderen Menschen zu helfen, indem ich wertvolle Tipps aus meiner täglichen Arbeit als Physiotherapeutin weitergebe. Durch den direkten Kontakt mit meinen Patienten erlebe ich hautnah, wie meine Ratschläge positive Veränderungen bewirken.
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